Ob Sie Karneval gefeiert haben oder die Zeit für eine Auszeit genutzt haben, in den letzten drei Wochen waren viele Unternehmen schlank aufgestellt und die Energiepreisentwicklung hatte nicht die oberste Priorität. Falls Sie in dieser Zeit keine Preise verfolgt haben, werden Sie staunen. So ging es mir, nachdem ich Montag letzter Woche wieder am Start war. Bereits in unserer Dezember-Ausgabe haben wir die sinkenden Energiepreise thematisiert, seitdem sind die Preise aber nochmal deutlich in den Keller gegangen, rund 15 % allein im Februar. Damit nähern wir uns dem Vorkrisenniveau und stellen uns die Frage, wie lange die Preise noch sinken oder ob der Boden jetzt bald erreicht ist.
Dabei haben wir es mit einer neuen Situation zu tun. Beim Erdgas haben sich die Lieferketten in den beiden letzten Jahren komplett gedreht. Russland liefert nicht mehr per Pipeline und global gehandeltes LNG ist jetzt auch hier preissetzend. Beim Strom ist die Angelegenheit komplexer: Durch den zunehmenden Ausbau der Erneuerbaren Energien, besonders bei Wind und noch mehr durch den PV-Boom, sinken die Preise in wind- und sonnenreichen Stunden stark, was sich durch geringere Marktwertfaktoren, also stärkere Abschläge auf den durchschnittlichen Jahreswert des Spotmarktpreises (Day-Ahead) bemerkbar macht. Anders als beim Erdgas spielen hier also mehrere Faktoren eine Rolle – neben dem Zubau bzw. der Verfügbarkeit der Erneuerbaren (auch in den Nachbarländern) besonders die Preise für Kohle und CO2 sowie die Betriebsbereitschaft der französischen Kernkraftwerke. Dabei unterliegen einige Faktoren politischem Interesse und deren Preisentwicklung ist nur schwer prognostizierbar, z. B. bei CO2, wo wir in der Vergangenheit bereits viele Markteingriffe erlebt haben.
Die richtige Beschaffungsstrategie rückt mit den gesunkenen Preisen wieder in den Fokus und beim Strom haben wir mit PPA einen „neuen Player“ bei den großen Letztverbrauchern, der vor der Energiekrise noch deutlich weniger präsent war. Das haben nicht nur die PPA-Platzhirsche erkannt und marketingseitig die Trommel für den Vertrieb ihrer EE-Parks herausgeholt, sondern auch die kleineren Projektgesellschaften ziehen vermehrt durch die Lande und bieten Direktstromlieferungen an.
Besonders in den Krisenjahren 2022 und 2023, als die Strompreise auf Rekordhöhe waren, war der Absatz hoch und es wurden auch langfristige Verträge zu aus heutiger Sicht hohen Preisen abgeschlossen. Im Segment der energieintensiven Industrien wurden die Abschlüsse durch die Verpflichtungen begünstigt, die aus der so genannten „ökologischen Gegenleistung“ resultieren, die mit dem Grünstrom aus einem PPA und den zugehörigen HKN erfüllt werden können. Aus energiewirtschaftlicher Sicht kann man für die betroffenen Abnehmer nur hoffen, dass diese Verträge eine möglichst kurze Laufzeit haben, denn sie stellen in vielen Fällen eine deutliche finanzielle Verpflichtung und Belastung für den Käufer dar.
Neuanlagen von kleineren Projektgesellschaften benötigen eine langfristige Abnahmegarantie von mindestens 10, besser 20 Jahren, um eine Finanzierung sicherzustellen. Im letzten Jahr waren je nach Projektgröße und Standort bereits Erlöse von über 100 €/MWh erforderlich. Beim aktuellen durchschnittlichen Terminmarktpreis „base“ von rund 60 €/MWh für die kommenden Jahre und einem Marktwertfaktor von ca. 80 % ist der PPA-Strom aus einem Windpark nur noch ca. 48 €/MWh wert, bei PV-Strom noch weniger. Da hilft auch der Wert des gekoppelten HKN in Höhe von ca. 3 €/MWh nicht mehr viel und selbst unter Berücksichtigung der Entlastungsbeträge aus der ökologischen Gegenleistung wird das Ergebnis in den meisten Fällen negativ sein. Wer sich also vor einem Jahr (durchschnittlicher „base“ 2023 bis 2032 ca. 120 €/MWh) z. B. mit einem 3 MW Wind-PPA für 10 Jahre gebunden hat, für den sieht die Rechnung aktuell so aus: 3 MW * geschätzte 2.700 h/a * (120 * 0,8 – 48) €/MWh = 8.100 MWh/a * 48 €/MWh = 388.800 €/a Mehrkosten bzw. bei 10 Jahren ca. knapp 4 Mio. €. Der Wert der HKN in Höhe von ca. 250.000 €/a und die Entlastungsbeträge aus der ökologischen Gegenleistung können hiervon abgezogen werden, was das Bild aber nicht deutlich positiver wirken lässt. Hinzuzurechnen ist der ganze administrative Aufwand für das zusätzliche Management, die Vertragsverwaltung und die Integration in den eigenen Bilanzkreis oder den des Lieferanten. Und hier ist besonders bei längerfristigen Verträgen mit kleineren Projektgesellschaften zu berücksichtigen, dass die Vertragsverhandlungen und -anpassungen in einem regulatorisch volatilen Umfeld viel Zeit kosten können - sowohl beim PPA-Vertragspartner als auch auf (Residualstrom-)Lieferantenseite.
Wer in der Vergangenheit bereits einen langfristigen Wärmeliefervertrag hatte, weiß, was auf ihn zukommen kann.
Stellt sich also die Frage, wie es mit den PPA weitergehen kann. Wer das Thema bereits beleuchtet hat oder unsere Oktober-Ausgabe gelesen hat, weiß, dass auf Letztverbraucherseite zuerst das Beschaffungsmodell angepasst werden muss. Dann muss eine PPA-Strategie entwickelt werden, welche Erzeugungsarten und welche Mengen langfristig ins eigene Portfolio passen – dazu sollte man den erwarteten Verbrauch und die Struktur über die Laufzeit des PPA prognostizieren. Als nächstes stellt sich die Frage, ob man ein PPA bei einem großen Erzeuger kauft oder sich auf eine der vielen (lokal agierenden) Projektgesellschaften einlassen möchte. Diese sprechen ihre potenziellen Kunden im Rahmen eines standortnahen Projektes meistens in Verbindung mit einer Direkteinspeisung (die aus unserer Sicht wesentliche Einschränkungen mit sich bringt) an. Oft sind bei diesen Projektierern wenig energiewirtschaftliche Kenntnisse aus Letztverbrauchersicht vorhanden, so dass der Abgleich der Rahmenbedingungen Zeit in Anspruch nimmt. Wenn alle Voraussetzungen geklärt sind, geht es darum, den Preis des PPA zu bestimmen. Aufgrund des aktuellen Preisniveaus sollten Sie aber nicht erwarten, besonders günstige Angebote im Rahmen langfristiger Verträge zu erhalten. Neue Projekte haben es schwer, weil den gesunkenen Strompreisen gestiegene Investitionskosten gegenüberstehen. Dazu passt, dass die letzte PV-Ausschreibung der BNetzA fast vierfach überzeichnet war. Wenn für den Projektierer kein Kunde bzw. Mehrwert durch ein PPA in Aussicht ist, wird der Anlagenbetreiber eher an der EEG-Ausschreibung teilnehmen, auch wenn ihn hier viele administrative Aufgaben erwarten.
In diesem Umfeld wird dann auch wieder die Diskussion um die so genannten „contracts for difference“ (CfD) an Fahrt gewinnen, bei denen der Staat als Sicherungsgeber eintritt. Ähnlich wie bei der EEG-Ausschreibung muss der Anlagenbetreiber einen Preis abgeben, zu dem er den Strom verkaufen würde. Anders als bei der EEG-Ausschreibung dient dieser aber nicht als Mindestpreis, sondern als Referenzpreis. Bei einem CfD muss er für den Fall, dass der Marktpreis über den bezuschlagten Referenzpreis steigt, diese Erlöse an den Netzbetreiber abführen. Daher haben sich Branchenverbände wie der BEE skeptisch zu CfD geäußert. Im Fall eines PPA war bereits im Rahmen der Industriestrompreisdiskussion im Gespräch (siehe April-Ausgabe), den EE-Strom auf Abnehmerseite dann im Rahmen eines weiteren CfD über einen auszuschreibenden Referenzpreis abzusichern. Dann würden dem Abnehmer die Kosten über dem Referenzpreis vom Netzbetreiber bzw. über das EEG-Konto erstattet und umgekehrt müsste der Abnehmer die Differenz abführen, wenn der Strompreis unter den Referenzpreis sinkt.
Fazit:
Die hohen Strompreise in den beiden letzten Jahren und die positiven Effekte auf die eigene Klimabilanz haben die PPA-Abschlüsse beflügelt. Die sinkenden Strompreise bewirken das Gegenteil. Daher steigt die Teilnahme der Projektierer an den EEG-Ausschreibung der BNetzA, um ihre Projekte finanziell abzusichern. Die PV-Ausschreibungen sind überzeichnet und die Zuschlagswerte sind gering. Sollte der Ausbau der EE ins Stocken kommen, sind die Klimaziele bzw. die EE-Ausbauziele der Bundesregierung gefährdet. Dann ist der nächste Eingriff in den Markt vorprogrammiert, wie z. B. die seit längerem diskutierte Einführung von CFD. Dazu steht die Diskussion über das aufgrund niedriger Strompreise wieder wachsende Minus auf dem EEG-Konto an. Wir dürfen gespannt sein, wie dieses Defizit ausgeglichen wird und bleiben für Sie am Ball!