Ein spektakuläres Beschaffungsjahr endet mit einem passenden Finale. Wer auf eine Beruhigung der Energiemärkte zum Jahresende gehofft hat, wurde enttäuscht. Die Preise für Strom, Erdgas und CO2 steigen weiter und nehmen jetzt auch das „lange Ende“ des Terminmarktes ab cal-24 mit. Strom „cal-22 base“ liegt mit über 200 €/MWh auf neuem Rekordniveau. Nie zuvor gab es einen so rasanten Preisanstieg auf breiter Front. Jeder Rücksetzer war in diesem Jahr nur eine Verschnaufpause zu neuen Höchstmarken. Die meisten Gründe dafür haben wir in der Vergangenheit detailliert beschrieben. Heute richten wir den Blick auf die jüngsten Entwicklungen:
CO2 (EUA) stieg vom 1. November bis Mitte Dezember von 57 €/t auf über 80 €/t. Die EU-Kommission erklärte Ende Oktober, dass die hohen Strom- bzw. CO2-Preise nicht auf spekulative Marktmanipulationen oder Fehler im Marktdesign zurückgehen und beauftragte die europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Acer) und die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) mit einer Marktuntersuchung. Diese kam Mitte November zum gleichen Ergebnis, der Preis überschreitet daraufhin die 60 €/t und durchbricht zu Nikolaus die 80 €/t - als hätten die Spekulanten diesen „Freispruch“ als Einladung zum Zufassen verstanden. Dazu kommt, dass durch den schwachen Beitrag der Erneuerbaren in diesem Jahr und dem hohen Gaspreis die Kohlekraftwerke im ganzen Land bzw. der EU aus allen (Dampf-)Rohren feuern und eine steigende EUA-Nachfrage generieren.
Erdgas cal-22 stieg im gleichen Zeitraum von 45 €/MWh auf über 80 €/MWh. Spätestens mit dem neuen Koalitionsvertrag wurde den Marktteilnehmern klar, dass es keine schnelle Inbetriebnahme von Nordstream 2 geben wird und der Winter, dessen Temperaturprognosen zusätzlich im kalten Bereich liegen, ohne diesen „Gamechanger“ vorübergehen wird. Der Truppenaufmarsch in der Ostukraine inklusive der Diskussion neuer Sanktionen sowie die Bekräftigung der Außenministerin, Nord Stream 2 sei derzeit nicht genehmigungsfähig, haben ihr Übriges dazu getan. Strom cal-22 „lebt“ aus den Zutaten Gaspreis plus CO2-Preis und verdoppelte sich quasi im Parallelflug von 105 €/MWh auf über 200 €/MWh. Ein weiterer wichtiger Effekt ist der Nachfrageanstieg aufgrund automatischer Eindeckungsverpflichtungen nicht weniger Marktteilnehmer aus z. B. Tranchenverträgen bis Mitte Dezember, die um jeden Preis beschaffen müssen sowie die Pleitewelle bei den Gasversorgern, die viele Kunden in die Ersatz- bzw. Grundversorgung und die jeweiligen Grundversorger zum Nachkaufen zwingen. Die Pleite von gas.de soll alleine in Freiburg 4.000 Kunden in die Grundversorgung überführt haben. Mit weiteren Pleiten ist in 2022 zu rechnen.
Fazit: Die Marktturbulenzen werden uns noch eine Weile beschäftigen. Glücklich ist also derjenige, der die kommenden Jahre noch günstig eingedeckt ist und einen bonitätsstarken Versorger hat. Schwierig wird die Beschaffung für das cal-23, es ist im Sog von cal-22 bereits deutlich angestiegen. Bei deutlich über 40 €/MWh für Erdgas und 120 €/MWh für Strom entsteht ein natürlicher „nicht-kaufen-wollen-Reflex“. Die tröstende Nachricht zu Weihnachten ist die, dass es nicht mehr lange so weiter gehen kann, sonst wird Energie, zumindest für große Letztverbraucher, unbezahlbar. Hoffen wir, dass sich die Märkte in 2022 wieder beruhigen! Wie bereits im Juni weisen wir Sie darauf hin, sich beim Erdgas mit den weiter entfernt liegenden Jahren 2024 (28 €/MWh) und 2025 (24 €/MWh) zu befassen. Sie kosten derzeit etwa ein Drittel von cal-22 und lagen 2018 bereits auf ähnlichem Niveau. Beim Strom sieht es anders aus: Diese Jahre liegen zwar auch „nur“ bei knapp der Hälfte, jedoch scheint sich durch den raketenartigen Anstieg von CO2 hier ein neues Niveau bei ca. 90 €/MWh einzupendeln. Dass CO2 temporär nochmals deutlich absackt, ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich.