Bislang zeigen Händler kein großes Interesse: „Wir brauchen das nicht, der Markt regelt das“ ist der Tenor. Zunächst ein Überblick, Stand Anfang April:
- Ziel von AggregateEU ist es, zur Versorgungssicherheit der EU in Bezug auf Menge und günstige Preise beizutragen, besonders für die Speicherbefüllung in den kommenden beiden Wintern. Interessierte sollen einen direkten Zugang zum globalen LNG-Markt erhalten.
- Die Mitgliedstaaten sind gesetzlich verpflichtet mindestens 15 % der Speicherverpflichtung zur Nachfragebündelung anzumelden, was in etwa 135 TWh/a entspricht. Sie müssen aber nicht kaufen und – falls doch – könnten sie das Gas auch anders als zur Speicherbefüllung nutzen. Potenzielle Käufer können ihre Nachfrage also zurückziehen, sollte ihnen das Angebot nicht zusagen. Nehmen sie das Angebot an, werden die Details der Verträge bilateral verhandelt – AggregateEU bietet bei Bedarf lediglich Unterstützung.
- Es werden Monatsbänder auf rollierender Basis ausgeschrieben - mit zwei Monaten Vorlauf für die dann folgenden zwölf Einzelmonate. Die Mindestmenge je Monatsband beträgt 5 GWh für nationale Marktgebiete und 300 GWh für LNG, welches an zwei virtuellen LNG-Lieferpunkten (N/W- und S/O-Europa) gehandelt wird.
- Nachfrager können Händler oder große Verbraucher für sich selbst sein, wenn sie genügend Bedarf haben. Darüber hinaus gibt es zwei Optionen: Das Zentraleinkäufermodell („central buyer“) für Nachfrager, die nicht selbst auf der Plattform aktiv werden wollen. Der central buyer aggregiert die Mengen seiner Kunden, schließt bei Abschluss selbst die Verträge mit dem Bieter und organisiert den Transport des Gases bis zum Kunden – quasi ein Lieferantenmodell. Anders der „Agent-on-behalf“ (i.e.S. ist das ein Gas-Logistikdienstleister), der vom Käufer oder der Käufergruppe (Pool) mit den erforderlichen Dienstleistungen beauftragt wird, das beim Bieter gekaufte Gas in den Bilanzkreis des Kunden zu bringen, vordringlich beim Transport vom LNG-Terminal in das jeweilige Marktgebiet. Vertragspartner des Bieters bleiben aber die Kunden, was den Kreis der möglichen kleinen Kunden schon deutlich einschränkt, da sie sich oft noch in laufenden Vollversorgungsverträgen befinden und auch das nötige Know-how vermutlich nicht aufbauen wollen. Bei Redaktionsschluss waren noch keine Unternehmen als „central buyer“ oder „Agent-on-Behalf“-Dienstleister gelistet.
- Die gemeinsame Erdgasbeschaffung wird als Lernprozess für die Umsetzung einer zukünftig möglichen gemeinsamen Beschaffung von grünem Wasserstoff dienen.
Voraussetzungen für die Industrie
Bietet sich für die Industrie eine bessere Perspektive als für die Händler? Wichtigste Voraussetzung zur Teilnahme ist ein passendes Beschaffungsmodell, das dem Unternehmen ermöglicht im eigenen (Sub- oder Kunden-)Bilanzkreis zusätzliche „Drittmengen“ aufnehmen zu können. Dieses Modell ist bei großen Kunden ab ca. 100 GWh/a üblich. Diejenigen, die sich aktuell noch in einer Vollversorgung (z. B. OTC-indiziertes Tranchenmodell) befinden, müssten mit ihrem Lieferanten eine Vereinbarung treffen, damit er dem Kunden nachträglich eine Beschaffung von Drittmengen über AggregateEU gestattet. Die Chancen hierfür stehen schlecht, da der administrative Aufwand hoch ist und der Lieferant wenig wirtschaftliches Interesse an diesem Modell haben dürfte.
Wichtig ist auch die Verbrauchsmenge: bei einem Gasverbrauch von 100 GWh/a sind dies ca. 8,3 GWh/Monat, die damit nur knapp oberhalb der erforderlichen Mindestnachfrage von 5 GWh/Monat für die Belieferung in einem Marktgebiet liegen. Nur bei gleichmäßiger Struktur passt dieses Monatsband noch ins Portfolio, ohne es zu überdecken. Da die meisten Unternehmen für das Folgejahr schon Mengen abgesichert haben, werden es vermutlich eher die Unternehmen ab 300 GWh/a Gasverbrauch sein, die bei AggregateEU teilnehmen könnten und sich selbst registrieren müssen. Interessiert man sich für die Lieferung an einen der LNG Lieferpunkte Nordwesteuropa oder Südosteuropa, liegt die obligatorische Mindestmenge bei 300 GWh/Monat. Dieser Schwellenwert kann nur von Unternehmen erfüllt werden, die mehr als 5 TWh/a Gasverbrauch aufweisen. Davon gibt es nur Wenige. Zudem muss ein „Agent-on-Behalf“ die Logistikdienstleistungen ins Marktgebiet bzw. in den Bilanzkreis organisieren. Die Teilnahme an der LNG-Ausschreibung funktioniert für die meisten Großkunden also nur, wenn sie ihre Nachfrage mit anderen Kunden in einen Topf werfen und im Pool auftreten.
Was passiert nach der Registrierung?
Zurück zu den Industrieunternehmen ab 5 GWh Verbrauch pro Monat: Ist die Registrierung erfolgt, stellt sich die Frage, ob im Marktgebiet (idealerweise THE) ein attraktives Angebot mit genügend Volumen auf der PRISMA-Plattform platziert wird, das der Kunde dann annimmt (ggf. bei zu hoher Gesamtnachfrage nur anteilig). Danach muss er sich bilateral mit dem Bieter über die vertraglichen Details einigen (Zahlung, Sicherheiten). Dazu stellt sich die Frage, ob die Angebote im Marktgebiet genauso attraktiv sind wie an den LNG-Lieferpunkten, wo die global agierenden Produzenten vermutlich eher Gas anbieten werden.
Nachfrager, die nicht selbst auf der Plattform aktiv werden wollen, können das Zentraleinkäufermodell wählen. Der „central buyer“ aggregiert die Mengen seiner Kunden, schließt selbst die Verträge mit dem Bieter und organisiert den Transport des Gases bis zum Kunden – quasi ein Lieferantenmodell. Das wäre zwar das komfortabelste Modell, welches aber gut verhandelt werden muss, damit es preislich mit dem „Agent-on-Behalf“-Modell vergleichbar ist. Hier darf man gespannt sein, wer sich auf der Plattform für dieses Modell registriert und welche Angebote gemacht werden. Bis jetzt gab es noch keinen Eintrag. Viele Fragen sind also noch offen, daher nur die wichtigsten: besteht Interesse im Markt? Wie hoch sind die Logistikkosten vom LNG-Hub ins Marktgebiet? Werden für kleinere Unternehmen Hürden (z. B. durch Sicherheiten) abgebaut?
Teilnehmen oder nicht?
Es muss also noch nachjustiert werden, um die Plattform zum Erfolg zu führen. Was spricht also für eine Teilnahme? Politisch ist ein Scheitern kaum vorstellbar. Die Verantwortlichen werden sich mit Nachdruck um Erfolg bemühen. Die Nachfrageverpflichtung für die Gasspeicher wird ein erhebliches Volumen auf die Plattform bringen, die günstige LNG-Produzenten als Gelegenheit sehen könnten, um zusätzliche Mengen auf den Markt zu bringen. Bei aktuell ca. 7 €/MWh am US-Henry-Hub ist viel Luft in Richtung TTF oder THE. Damit ergeben sich Chancen für Käufer. Dazu kommt die Ankündigung der EU, zukünftig auch grünen Wasserstoff und erneuerbare Gase über die Plattform zu vermarkten. Allein der Lernprozess ist den Aufwand wert. Und man kann nicht verlieren - nur wenn man nicht teilnimmt.
Den Unternehmen, die nicht allein an der Plattform teilnehmen können oder wollen, ist ecotec gerne behilflich. Nähere Infos dazu finden sich in Kürze unter www.gas-pool.eu.