Die ersten beiden Ausschreibungsrunden über AggregateEU sind abgeschlossen. Ein Gesamtvolumen von 22,88 Milliarden Kubikmetern - also um die 250 TWh Gasnachfrage und -angebot - konnten aufeinander abgestimmt werden. Dieser Erfolg ist angesichts der eher geringen Erwartungen der in Deutschland aktiven Händler beachtlich. Die Generaldirektion Energie (DG ENER) der EU-Kommission sieht aber Verbesserungsbedarf bei der Teilnahme von Industriebetrieben, bei denen grundsätzliches Interesse vorhanden sei, aber von denen nur wenige teilgenommen haben. Um mehr Industriekunden auf die Plattform zu locken, richtet die DG ENER jetzt eine Unterarbeitsgruppe der Industry Advisory Group ein. Sie soll helfen, die Plattform für die Industrie zu verbessen, auch bei zukünftigen Produkten und Dienstleistungen.
Vollversorgungsvertrag verhindert Chancen
Die Hindernisse, die es zu beseitigen gilt, hatte ich bereits in einem energate-Gastbeitrag im April adressiert. Das größte Manko, das eine stärkere Teilnahme der Industrie aktuell verhindert, liegt auf der Hand, kann aber nicht durch die Plattform gelöst werden: Die meisten Unternehmen befinden sich noch in Vollversorgungsverträgen, in denen keine Drittmengen via AggregateEU ohne Zustimmung des jeweiligen Lieferanten eingebracht werden dürfen. Diese Hürde muss zuvor von jedem Unternehmen selbst aus dem Weg geräumt werden. Wie dies im Einzelfall erfolgen kann, hängt vom Erdgasliefervertrag ab. Grundsätzlich ist kein Versorger verpflichtet, Verträge für Drittmengen zu öffnen. Erklärt er sich nicht dazu bereit, ist eine Belieferung via AggregateEU nicht möglich. Dann muss die Belieferung im Rahmen eines Mehr-Lieferanten-Modells neu konzipiert und umgesetzt werden. Viele vollversorgte Industrieunternehmen, die diesen Schritt bei ihrem nächsten Vertrag oder der Verlängerung nicht berücksichtigen, verbauen sich also den Weg Richtung AggregateEU. Da können weder die Plattform noch eine Arbeitsgruppe helfen. Der erforderliche Umstieg auf ein Mehr-Lieferanten-Modell - unabhängig davon, ob ein bestehender Vertrag geöffnet wird oder ein neuer Vertrag abgeschlossen wird - ist nicht trivial und erfordert ein systematisches Durchdenken aller Schritte und Auswirkungen. Es ändert sich einiges: Von der Frage, wie die Drittmenge in den Bilanzkreis des Unternehmens gelangt, bis zur Abrechnung - auch von Steuern und Abgaben.
Mindestmenge erfordert Bündelung
Ist diese Hürde beseitigt und eine Teilnahme möglich, wird die Mindestmenge im Marktgebiet von 5 GWh/Monat für viele "mittlere" Industriekunden schon hoch sein, will man nicht alles über die Plattform beziehen. Größer wird die Herausforderung bei den LNG-Lieferpunkten mit einer Mindestmenge von 300 GWh/Monat, wo vermutlich attraktivere Angebote gemacht werden. Hier werden die meisten Unternehmen nur erfolgreich sein, wenn sie ihre Nachfrage im Rahmen eines Gaspools bündeln, bevor sie diese über die Plattform aggregieren. Zudem wird die Unterstützung eines sogenannten Central Buyers oder Agent on Behalf erforderlich, um die Lieferung ins Marktgebiet zu bringen und zu strukturieren.
Ein Einstieg in die Gasversorgung via AggregateEU ist ohne gründliche Vorbereitung nicht möglich. Die neue Unterarbeitsgruppe kann sicher gute Impulse geben, um das Handling der Plattform oder die Rahmenbedingungen (z. B. Mindestmenge, Produkte, Laufzeiten) zu verbessern. Eine höhere Beteiligung seitens der Industrie bedeutet das aber nicht automatisch. Die gute Nachricht aber bleibt: Die Plattform wird weiterentwickelt, wie zu hören ist, auch in Richtung grüner Wasserstoff, bei dem die geplante inländische Produktion nicht allzu üppig sein wird. Und die komfortablen Vollversorgungsmodelle in der Energiebelieferung gehen zurück oder werden deutlich teurer. Mit der Umstellung auf ein Mehr-Lieferanten-Modell steigen die Flexibilität und der Wettbewerb beim Kauf von Terminprodukten. AggregateEU bietet dann eine weitere Option, das Portfolio des Industriekunden zu diversifizieren und zu optimieren. Weiter abzuwarten und auf bessere Zeiten in der Vollversorgung zu hoffen, ist keine gute Wahl. Interessierte Unternehmen, nicht nur Industriekunden, sind herzlich zu diesem Projekt eingeladen und können unter www.gas-pool.eu Kontakt aufnehmen.