In unserem Briefing nehmen wir aktuelle Beratungsfälle zum Anlass, um Sie zu ausgewählten Themen zu informieren, die Sie nicht bereits aus der Presse kennen. Oder es handelt sich um Hintergründe zu bekannten Themen, die für Sie wichtig sein können. Dabei versuchen wir thematisch zu variieren.
Bei vielen Themen der letzten zwölf Monate, wie zum Beispiel Industriestrompreis, Spitzenausgleich, Heizungsgesetz, Klimaschutzverträge oder die §§ 24 bzw. 26 EnSiG handelte es sich um politische Vorhaben, die danach wieder revidiert oder fallen gelassen wurden. Ein Ende ist leider nicht absehbar, wie die jüngsten Ereignisse rund um den Klima- und Transformationsfond (KTF) zeigen. Dazu kommen viele weitere Gesetzesvorhaben und Verordnungen, die alle gelesen und verstanden werden sollen. Für die Wirtschaft und besonders für die großen Letztverbraucher eine kaum zu lösende Aufgabe. In diesem Umfeld sollen die Unternehmen jetzt große Investitionen planen und umsetzen, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen und dabei noch wirtschaftlich bleiben. Ein Drahtseilakt!
Zwei Bausteine, diese Investitionen vorzubereiten, sind die bereits seit langem etablierten Energiemanagementsysteme (EnMS), die eher auf kurzfristig zu hebende Einsparpotentiale abzielen und seit kürzerem die Transformationskonzepte, die den langen Weg in Richtung Klimaneutralität beschreiben sollen. Während die EnMS z. B. nach DIN EN ISO 50001 genormt sind, ist das bei den Transformationskonzepten nicht der Fall. So gut die Idee hinter den Transformationskonzepten auch sein mag, in der Praxis stellen sich häufig viele Fragen, spätestens wenn der Abschlussbericht vorliegt und wenn neben dem Hauptziel eines CO2-Reduktionspfades eine energiewirtschaftliche Einordnung erfolgen soll. Da ein Transformationskonzept nicht genormt ist, sondern viele Freiheitsgrade zulässt, hängt es daher sehr oft vom Ersteller des Konzeptes ab, welche Ausrichtung ein Transformationskonzept hat und zu welchem Ergebnis es kommt: Von der Effizienzanalyse mit der Identifizierung von Einsparpotentialen (also einer Maßnahmenliste aus dem EnMS) bis zur kompletten Elektrifizierung des Unternehmens, teilweise mit sehr hohem EE-Eigenerzeugungsanteil über PV und Wind-PPA, (Hochtemperatur-)Wärmepumpe und Abschaltung erdgasbefeuerter KWK-Anlagen, ist alles dabei.
Abgesehen davon, dass diese beiden Extreme nicht den Zweck eines Transformationskonzeptes erfüllen, der eher in einer ausgewogenen und offenen Zielsuche mit Fortentwicklungsbedarf bestehen sollte, werden dann häufig noch Energiepreise für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre in den Berechnungen verwendet, die einer Überprüfung nicht standhalten. Und hier kommen wir zurück zur Einleitung: In einem unsicheren Umfeld, in dem weder die regulatorischen bzw. politischen Rahmenbedingungen ihren Praxistest bestanden haben noch die Entwicklung der Energiepreise über die nächsten zehn Jahre prognostiziert werden kann, kann eine nicht zu offensive Umsetzungsstrategie in vielen Fällen die bessere Entscheidung sein. Um es mit anderen Worten zu formulieren: Alles, was offensichtlich sinnvoll ist, wie z. B. Maßnahmen aus dem EnMS mit kurzen Rücklaufzeiten, der mittelfristige Umstieg von fossilen Brennstoffen auf grüne Gase oder grünem Wasserstoff in Kombination mit einer sinnvollen Elektrifizierung, muss jetzt vorbereitet, dann geplant und abhängig von Verfügbarkeiten, Fördermitteln und Preisen umgesetzt werden. Radikale Maßnahmen wie die Abschaltung effizienter Erdgas-BHKW und überdimensionierte EE-Anlagen oder sehr langfristige PPA-Verträge mit der Notwendigkeit der Vermarktung von größeren Überschussmengen müssen im Einzelfall vorsichtig abgewogen werden. Vor dem Hintergrund einer ausgewogenen Risikobetrachtung ist Diversität hier sicher sinnvoll.
Wichtig ist ein Abklopfen jedes Transformationskonzeptes auf seine energiewirtschaftliche Sinnhaftigkeit. Hierzu sollten die Energiepreise nicht nur stumpf nach den cal-Produkten der nächsten zehn Jahre an den Terminmärkten eingesetzt werden. Wichtiger ist es, die prognostizierte Verbrauchsstruktur mit den jetzt schon stark auseinanderdriftenden Monats-, Tages- und Stundenpreisen zu überlagern und bei PPA und PV-Eigenerzeugung einen realistischen Marktwertfaktor zu berücksichtigen. Unrealistische Ergebnisse resultieren jedenfalls, wenn die Höchstpreise an den Energiemärkten aus dem Jahr 2022 fortgeschrieben werden.