Beim Strom hätte man vor einem Jahr diesem Preis nichts Besonderes beigemessen. Aber beim Erdgas? Da waren Notierungen von ca. 5 €/MWh beim Erdgas an der Tagesordnung. Wohl kaum jemand hätte im letzten Sommer eine Wette darauf abgeschlossen, dass sich in diesem Sommer der Preis stabil über 20 €/MWh, geschweige denn um die 35 €/MWh einpendeln würde. Aber wie so oft, kommt es anders. Eine kurze Chronologie der Ereignisse:
Im letzten Jahr war die Nachfrage nach Erdgas aufgrund der Coronapandemie stark eingebrochen bei gleichzeitig relativ vollen Speichern. Dies führte im Zeitraum Mai bis Juli zu Spot(t)preisen von 4 - 6 €/MWh, die für viele Produzenten unterhalb der Produktionskosten liegen. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum 2019 lagen die Spotpreise zwischen 10 und 14 €/MWh, was bereits als günstig angesehen wurde, in 2018 lagen die Preise noch bei gut 20 €/MWh.
Ab August legte der Spot aufgrund der sich in Asien beginnenden Erholung der Wirtschaft nachfrageseitig langsam zu und überschritt im September erstmals die 10 €/MWh. Er lag damit auf dem gleichen Niveau wie im September 2019, um dann bis Mitte Oktober auf 15 €/MWh weiter zuzulegen und bis Anfang Dezember auf diesem Niveau zu verharren. Für den beginnenden Winter noch kein hohes Preisniveau. Ab Dezember mit dem Überschreiten der 30 €/t-Marke beim CO2 „verbündete“ sich der Spotpreis dann mit CO2, da die hohen CO2-Preise dazu geführt haben, dass Kohle in der Verstromung tendenziell durch Erdgas verdrängt wird. Der weiter steigende CO2-Preis und die Verschärfung der Klimaziele, der relativ kalte Winter bis in den April, die selbst jetzt noch sehr niedrigen Speicherstände, hohe Preise in Asien, die Nichtinanspruchnahme zusätzlicher Transitkapazitäten in der Ukraine durch Gazprom (die vermutlich demonstrieren will, dass der Weiterbau von Nord-Stream 2 auch für die Gaspreise in Europa sinnvoll ist) sorgen dann in Summe für einen neuen Höchststand - aktuell bei 35 €/MWh für den Spot, den Frontmonat und die zwei kommenden Winter-Quartale. Erst für das 2. Q. 22 sinkt der Preis wieder auf 22 €/MWh, für ein Sommerquartal immer noch sehr teuer. Dies alles färbt natürlich auch auf das cal 22 ab, das aktuell bei knapp 26 €/MWh liegt.
Entspannung ist derzeit nicht in Sicht. Wann kann sich das Blatt wieder wenden? Entweder wenn die Weltkonjunktur wieder lahmen sollte bzw. der CO2-Preis spürbar nachgibt (beides eher unwahrscheinlich) oder wenn das Angebot erhöht wird (möglich) bzw. der kommende Winter mild ausfällt (ungewiss). Das cal 24 notiert aktuell bei gut 18 €/MWh – im langjährigen Mittel eine noch günstige Gelegenheit. Auch cal 23 ist mit ca. 20 €/MWh noch erträglich.