Man traute seinen Augen beim Blick auf die EPEX Day-Ahead DE/LU-Preise am Dienstagnachmittag nicht. Einzelne Stunden in der Day-ahead-Auktion für Mittwoch mit Preisen bis zu 2.000 €/MWh und ein Durchschnittspreis von knapp 500 €/MWh ließen Erinnerungen an 2022 wach werden, als die Energiekrise auf ihrem Höhepunkt war. Informationen in der Presse ließen lange auf sich warten, so dass alle Marktteilnehmer erst einmal im Dunkeln tappten. Was war passiert?
Ein durch einen „Mikro-Stromausfall“ ausgelöstes IT-Problem an der Strombörse EPEX SPOT soll zu einer teilweisen Entkopplung im Day-Ahead-Markt geführt haben. Im Ergebnis konnte die EPEX SPOT einzelne europäische Handelsmärkte nicht mit dem deutschen Markt zusammenführen. Dadurch hatten wir in Deutschland für die Preisbildung die Situation, dass wir von den Nachbarstaaten entkoppelt waren und uns der Strom - vor allem aus Frankreich – nicht angeboten werden konnte. Und das war besonders der Strom, den wir zu den Zeiten benötigt haben, als die Sonne fehlte. Das wird daran deutlich, dass die Peak-Preise in den Mittagsstunden dann fast auf Normalniveau zurückgingen, während in einzelnen Stunden Preise von knapp 2.000 €/MWh fällig wurden. Im Gegenzug fiel der durchschnittliche Spotpreis in Frankreich auf ca. 2 €/MWh. Weitere Informationen finden sich hier. Welche Lehren kann man aus diesem Unfall ziehen?
- Der Ausfall der IT-Systeme hat anschaulich gemacht, was es bedeuten würde, wenn Deutschland nicht in den europäischen Stromverbund integriert wäre. Ohne die Marktkopplung bzw. den europäischen Stromverbund würde unsere Energiewende nicht oder nur zu deutlich höheren Preisen funktionieren. Wir sind auf die Versorgung mit günstigem Strom aus unseren Nachbarländern in den Stunden angewiesen, in denen nicht genug Wind und PV im System sind. Das ist besonders der grundlastfähige Atomstrom aus Frankreich und Wasser- bzw. Kernkraft aus Schweden. Das ist die unmittelbare Konsequenz aus dem hiesigen Atom- und Kohleausstieg.
- Eine Marktteilung Deutschlands in zwei Gebotszonen (Nord und Süd), wie von der EU und den norddeutschen Ländern gefordert, wird vermutlich dort zu höheren Preisen führen, wo insgesamt geringere günstige Erzeugungskapazitäten vorhanden sind. Statt Märkte weiter zu fragmentieren, sollte der Netzausbau schnellstmöglich vorangetrieben werden.
- Wie immer gibt es bei Marktverwerfungen Gewinner und Verlierer.
Gewinner waren, wie bereits 2022, die Betreiber von EE-Anlagen, die nicht in der Festvergütung sind. Diesmal aber auch die Betreiber der konventionellen Kraftwerke, die für ihre Anlagen Höchstpreise erhalten haben, mit denen sie nicht gerechnet haben. Bei einem Unterschied von 400 €/MWh bzw. ca. 5-fachen zum Normalpreis kann da die Kasse schon mal ordentlich klingeln. Zuletzt diejenigen, die zu viele Terminmengen im Bilanzkreis hatten, die zum Spotpreis ausgeglichen wurden.
Verlierer waren ganz klar alle Spotmarktbezieher, besonders diejenigen, die derzeit zu 100 % über den Spot beziehen und die im ungünstigsten Fall ihre Stromeigenerzeugung über eine Gasturbine oder ein BHKW in Revision haben. Im Sommer ein nicht ungewöhnlicher Fall. Hier ist der Schaden besonders hoch. Bei z. B. 7 MW Eigenerzeugung also 7 MW * 24 h *400 € = ca. 70.000 €.
Fazit: Die Politik und die Medien haben sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht zu diesem bedeutenden Vorfall bzw. dessen Konsequenzen geäußert. Auch nicht zur Frage nach dem Schadenersatz. Die Frage ist, ob die Bedeutung nicht erkannt wurde oder ob es unter den Teppich gekehrt werden soll. Beides wäre erschreckend. Auch auf der Seite der EPEX SPOT ist neben vielen Erläuterungen, die nicht auf die wesentlichen Fragen eingehen, nur lapidar zu lesen: „Die EPEX SPOT führt eine eingehende Analyse dieses Ereignisses durch und steht in engem Kontakt mit den relevanten Akteuren, einschließlich der nationalen Regulierungsbehörden.“ Die Frage nach der Haftung wird uns sicher noch beschäftigen. Wir bleiben für Sie am Ball und informieren Sie. Eines steht jedenfalls fest: Das Vertrauen in die Funktionsweise der Märkte ist durch den Fehler und die mangelhafte Kommunikation nicht gestärkt worden.