Das Gezerre um die neue Ostseepipeline auf der politischen Bühne ist groß. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer geht aber von einer Inbetriebnahme der Leitung noch in diesem Jahr aus, so dass ab kommendem Jahr die zusätzliche Kapazität sukzessive zur Verfügung stehen sollte. Wie wirkt sich dies auf den Gaspreis aus?
Deutschland ist mit ca. 50 Mrd. m³/a größter Abnehmer von russischem Erdgas. Nord Stream und Nord Stream 2 verfügen über eine Kapazität von jeweils ca. 55 Mrd. m³/a, so dass bei Vollauslastung eine Menge von ca. 110 Mrd. m³/a * 12 kWh/m³ = 1.300 TWh/a transportiert werden kann. Bei einem Erdgasverbrauch in Deutschland von ca. 1.000 TWh/a könnte Deutschland theoretisch alleine über die beiden Stränge versorgt werden. Zusätzlich stehen noch die 1997 fertiggestellte Gaspipeline Jamal – Europe, die bis zu ca. 33 Mrd. m³/a durch Belarus und Polen nach Frankfurt (Oder) transportiert und die Transgas zur Verfügung. Die Transgas (in der Ukraine aus den beiden parallelen Leitungen Soyuz und Brotherhood bestehend) führt als erste (1973), größte (120 Mrd. m³/a) und älteste Pipeline durch die Slowakei und endet am Baumgarten Hub in Österreich zur Versorgung von Zentraleuropa. Weniger wichtig für Zentraleuropa ist die Blue-Stream, die in die Türkei durch das Schwarze Meer seit 2003 bis zu ca. 16 Mrd. m³/a liefern kann und dort auf die von Soyus abzweigende Trasse nach Rumänien und Bulgarien trifft. In Summe liegen die Kapazitäten für russisches Gas aktuell also bei über 200 Mrd. m³/a, womit sich gut 40 % des EU-Verbrauchs decken lassen. Die EU importiert aktuell ca. 40 % Ihres Erdgasbedarfs, davon wiederum 40 % aus Russland. Insofern wird sich die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 eher auf die Gaspreise bei Knappheitssituationen im Winter auswirken. Die grundsätzliche Gaspreisentwicklung wird eher vom LNG-Angebot und der Nachfrage in Asien abhängen.