Nachdem der Leitfaden für die Ermittlung von Erdgas-Sonder(netz-)entgelten gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 GasNEV seit Juni 2012 unverändert fortbestand, haben die Regulierungsbehörden am 30. April überraschend einen neuen Leitfaden veröffentlicht. Mit dem neuen Leitfaden soll eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise für die Vereinbarung künftiger Sonderentgelte sichergestellt werden. Neben neuen Begrifflichkeiten und formalen Aspekten - z. B. die Pflicht des Verteilnetzbetreibers (VNB) zur Veröffentlichung des Namens des Petenten - sind wesentliche Änderungen zum letzten Leitfaden vom Juli 2012 eingeflossen, z. B.:
- Die reguläre Nutzungs- bzw. Abschreibungsdauer zur Berechnung der fiktiven Kapitalkosten beträgt für Letztverbraucher (sog. „Nicht-Netzbetreiber“) jetzt maximal 15 Jahre. In eng begrenzten Ausnahmefällen sind auch längere Zeiträume möglich. Damit wurde der bisherige Wert von vier Jahren aufgehoben, er fand praktisch aber auch kaum Anwendung.
- Das Sonderentgelt ist jeweils nur noch für ein Jahr gültig und jährlich neu zu kalkulieren. Im alten Leitfaden war es jeweils für eine Regulierungsperiode (fünf Jahre) gültig.
- Der VNB muss prüfen und dokumentieren, ob der Direktleitungsbau durch den Petenten „tatsächlich droht“. Hierzu sind die Anforderungen an die vom Petenten einzureichenden Nachweise deutlich verschärft worden. Der Petent muss jetzt mindestens folgende Unterlagen zur Prüfung und Dokumentation durch den VNB vorlegen: Machbarkeitsstudien und Pläne, Anschlussbegehren beim vorgelagerten Netzbetreiber mit Kapazitätsnachweis, Wegenutzungsrechte, Erfüllung umweltrechtlicher Auflagen, Angebote von Anlagenbauern bzw. Ingenieurbüros und Nachweise zur Finanzierung.
Gerade die unter Punkt 3 genannten Aspekte bedeuten im Vergleich zur bisherigen Praxis - bei der nachvollziehbare Trassenverläufe und Kostenberechnungen von Ingenieurbüros zumeist ausreichten - einen enormen zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand für den Petenten. Dies führt unseres Erachtens dazu, dass mit den neuen Regelungen die bisherigen Vorteile des Sonderentgelts für „Nicht-Netzbetreiber“ gegenüber einem Direktleitungsbau größtenteils aufgezehrt werden. Die neuen Anforderungen an die Dokumentation erfordern eine so fortgeschrittene Planung, dass der Petent den Direktleitungsbau auch durchführen kann. Hierfür sprechen zwei Punkte: Zum einen findet er einen Ausweg aus der „ewigen“ Abschreibung, denn nach Ablauf jeder Sonderentgeltvereinbarung wird der Kapitaldienst von neuem angesetzt, und zum anderen befreit er sich aus dem engen Korsett der Regulierung.