Auch wenn Grünstrom kein gesetzlich definierter Begriff ist, ist allgemein anerkannt, dass es sich um Strom aus Erneuerbaren Energien handelt. Im Detail wird es schon etwas komplexer, denn Strom aus dem öffentlichen Stromnetz ist unabhängig von der Erzeugungsart immer erst einmal Graustrom. Dieser wird erst dann wieder zu Grünstrom, wenn er über Herkunftsnachweise (HKN) gekennzeichnet wird.
Grünstrom aus „Power Purchase Agreements“ (üblicherweise als „PPA“ abgekürzt) ist eines der Trendthemen der letzten drei Jahre. Trotz zunehmender Popularität ist das Wissen von Letztverbrauchern aber oft noch nicht stark ausgeprägt. Dies liegt einerseits an der energiewirtschaftlichen und -rechtlichen Komplexität von PPA und andererseits an der Unübersichtlichkeit des Marktes. Nicht nur, dass es verschiedene Typen von PPA gibt - fast jedes PPA ist einzigartig und damit nur schwer vergleichbar. Es gibt zwar Anbieter und Publikationen, die mit Einblicken werben. Dies hilft jedoch nur denen weiter, die schon tiefer in der Materie stecken. Daher wollen wir Ihnen einen ersten Überblick geben, der Ihnen den Einstieg in dieses Thema erleichtert.
Grundsätzlich bezeichnet ein „physisches“ PPA einen Liefervertrag zwischen dem Betreiber einer EE-Anlage und einem Direktabnehmer, der eine Grünstromlieferung über das Stromnetz zum Gegenstand hat - genaugenommen also eine Graustromlieferung, die erst durch die mitgelieferten HKN wieder zu einer Grünstromlieferung wird. Dieser Grünstrom bietet dem Käufer die Möglichkeit, sein Portfolio zu „vergrünen“ und seinen Klimazielen näherzukommen. Für den Verkäufer stellt das PPA eine zuverlässige und planbare Abnahme der produzierten Energie sicher, wenn ein langfristiger Festpreis vereinbart wird und der Kunde eine gute Bonität hat . Das ist häufig eine wichtige Voraussetzung für die Finanzierung der EE-Anlage.
Bei einem physischen PPA wird Strom von der Anlage direkt in den (Kunden-)Bilanzkreis des Letztverbrauchers oder seines Versorgers geliefert. Bei Vollversorgungsverträgen ist dies nur in Ausnahmefällen möglich, da dort eine Beistellung von Drittmengen nicht vorgesehen ist und ein Versorger nur wenig Interesse daran hat, ein PPA zu inkludieren (Details siehe in der Ausgabe „PV-Strom und PPA’s – Vorsicht, Fallen!“). Beschafft der Letztverbraucher seinen Strom jedoch im Rahmen einer portfoliobasierten Beschaffung mit der Möglichkeit, Drittmengen einzustellen oder im Rahmen eines Mehr-Lieferanten-Modells mit eigenem Bilanzkreis, ist dies problemlos möglich. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass das PPA von einem spezialisierten Dritten (Intermediär) unter Vertrag genommen und an den Letztverbraucher vermittelt wird. Der Intermediär übernimmt dabei alle die Aufgaben zwischen EE-Anlagenbetreiber und dem Kunden, die für den Kunden eher lästig sind, wie z. B. die Vertragsverhandlungen und die Kommunikation mit dem Anlagenbetreiber während der Vertragslaufzeit, in manchen Fällen auch die Übernahme der Ausgleichsenergierisiken, indem er die Erzeugung als „pay-as-forecasted“ im Bilanzkreis des Letztverbrauchers einstellt. In diesem Fall spricht man von einem Sleeved PPA.
Dann stellt sich die Frage nach der Preisgestaltung des PPA. Hier ist der Kreativität kaum eine Grenze gesetzt. Überwiegend handelt es sich aber um Fixpreisverträge mit Bezug auf die Energieerzeugung einer einzelnen EE-Anlagen (z. B. eines Wind- oder Solarparks). Eine weitere und immer öfter anzutreffende Variante ist ein synthetisches, virtuelles oder finanzielles PPA, auf das wir in einem späteren Briefing genauer eingehen.
Ein weiterer Aspekt bei physischen PPA aus einer definierten EE-Anlage ist die „gekoppelte“ Lieferung von HKN gemäß § 30a HkRNDV. Durch Deckung von mindestens 30 % des eigenen Stromverbrauchs über solche PPA können Unternehmen die ökologische Gegenleistung zur Strompreiskompensation (SPK) erfüllen. Es gibt dazu aber z. B. auch die Alternative, gekoppelte HKN aus Deutschland oder ungekoppelte HKN aus Österreich oder Luxemburg zu beziehen. Ein PPA nur unter der Begründung abzuschließen, die ökologische Gegenleistung im Rahmen der SPK zu erfüllen, ist damit nicht gerechtfertigt.
Je nach Art der EE-Anlage und Erfordernis gibt es PPA sowohl als kurz-, mittel- und langfristige Produkte. Langfristige Produkte haben üblicherweise Laufzeiten von 10-20 Jahren und dienen dazu, Anlagenbetreibern kalkulierbare Einnahmen über Festpreise zu sichern. Kurzfristige PPA haben meist 1-2 Jahre Laufzeit und dienen auf Produzentenseite meist der planbaren Sicherung eines schrittweisen Weiterbetriebs von Altanlagen, deren EEG-Förderung ausgelaufen ist. Sie befinden sich oft im Portfolio von Energiehandelsunternehmen.
Mittelfristige PPAs sind eher selten und liegen vom Zweck und der Laufzeit zwischen beiden Modellen (üblich: 3-5 Jahre). Sie dienen häufig dazu, die Zeit bis zu einer langfristigen Belieferung aus einem Neubauprojekt zu überbrücken. Ein wichtiger Aspekt der kurz- und mittelfristigen Verträge ist die gute Handelbarkeit, da zumindest für 4 Jahre die vergleichbaren Standardhandelsprodukte (Base, Peak) liquide sind und somit der faire Wert eines solchen PPAs abschätzbar ist.
Der Profilwert einer EE-Anlage wird ermittelt, indem historische Erzeugungsprofile mit dem zugehörigen, stundenscharfen Spotmarktpreis bewertet werden. Das Verhältnis von Profilwert zum Durchschnittspreis einer Bandlieferung im jeweiligen Kalenderjahr nennt sich Marktwertfaktor und ist ein guter Indikator für den fairen Wert eines PPAs (zzgl. Marge und Erfüllungsaufwand). Der Marktwertfaktor ist insbesondere bei Windenergie an Land unterschiedlich, denn natürlich hängt das Erzeugungsprofil (und damit der Wert) stark von der EE-Anlage ab: Standort, Turbinentyp und Turmhöhe haben einen erheblichen Einfluss auf den Wert des Profils. In geringerem Maße, aber grundsätzlich ebenso, gilt dies für Photovoltaik und Windenergie auf See. Stehen einem also die historischen Lastgänge zur Verfügung, hat man als Abnehmer eines PPA einen deutlichen Informationsvorteil. Umgekehrt ist eine faire Bewertung bei Neuanlagen deutlich komplexer, da dort nur Prognoselastgänge vorliegen. Vorsicht ist bei einer Bewertung über historische Lastgänge aber auch geboten, sollte eine Anlage zukünftig aufgrund von Netzengpässen öfter abgeregelt werden (“Redispatch”). In diesem Fall kann der Lastgang (und auch das daraus erzielte Elektrizitätsvolumen) irreführend sein.
Fazit: PPA sind Stromlieferverträge aus einer definierten EE-Anlage. Energiewirtschaftlich sind sie eine Drittmengenlieferung mit einem deutlich geringeren Marktwert als eine vergleichbare Bandstromlieferung, das ist am Marktwertfaktor ablesbar. Verschiedene Aspekte sprechen aber auch für PPA: die glaubwürdigere Grünstromeigenschaft als der Kauf von anonymen HKN, die Möglichkeit der gekoppelten HKN-Lieferung für die Erbringung der ökologischen Gegenleistung für die Strompreiskompensation und - das ist aus unserer Sicht der oft wichtigste Faktor - ein angestrebter Imagegewinn. Dieser Imagegewinn ist dann besonders hoch, wenn die EE-Anlage in der Nähe zu den Produktionsanlagen steht. Die Risiken und Mühen darf man aber nicht ausblenden: Besonders direkte Lieferverträge zwischen Erzeuger und Letztverbraucher können viel Mühe bereiten. Unternehmen, die in der Vergangenheit ein langfristiges Wärme-Contracting abgeschlossen haben, wissen das (ein PPA ist prinzipiell ein Strom-Contracting). Den über das Netz entnommenen „Graustrom“ kann man alternativ über den Großhandel kaufen und die Grünstromeigenschaft kann man über den separaten Kauf von HKN herstellen, selbst bei der ökologischen Gegenleistung. Man hat viel weniger Aufwand, häufig geringere Kosten, keine vertraglichen Verpflichtungen und bleibt flexibel.
Wer aus selbst gesteckten Zielen doch einsteigen will, sollte die wichtigsten Punkte beachten: Viel Arbeit bei der Projekt- und Vertragsentwicklung (besonders bei Projektgesellschaften und Direkteinspeisung) sowie der Integration in den eigenen Bilanzkreis (Drittmengenlieferung), die Ermittlung eines fairen Werts der Stromlieferung und keine Garantie, dass das aus dem PPA gelieferte Erzeugungsprofil seinen prognostizierten Wert erfüllt (besonders wichtig beim Abschluss langfristiger PPA). Zum Sammeln von Erfahrungen ist denjenigen, die noch keine Erfahrungen mit PPA haben, zu Beginn daher der Abschluss kurzfristiger PPA als „sleeved“ PPA zu empfehlen. Damit bleiben Laufzeit und Volumen überschaubar. Zum passenden Preis können PPAs damit eine sinnvolle Ergänzung des Stromportfolios sein, besonders wenn damit mehr erreicht wird als die bloße Vergrößerung der gekauften Strommenge. Das sind in der Regel Imagegewinn und die Erfüllung von eigenen oder an das Unternehmen herangetragene Nachhaltigkeitsforderungen.